Proteinkonsum für den Muskelaufbau – ein überschätzter Makronährstoff oder der heilige Gral?
Wenn es um den Muskelaufbau geht, kommt man in der Regel schnell auf das Thema Protein zu sprechen. Es scheint der ausschlaggebendste Faktor für den erfolgreichen Aufbau zu sein. Ohne einen erhöhten Konsum von diesen aus Aminosäureketten bestehenden Makronährstoff wird man seine Ziele nicht erreichen. So zumindest der Tenor.
Und in der Tat sind Proteine u.a. für den Aufbau von Gewebe und somit auch Muskeln notwendig. Doch welcher Ansatz ist jetzt der Richtige? Viel hilft viel? Oder sollte einen bestimmen Wert konsumieren?
Im Internet sowie der Literatur kursieren verschiedenste Bedarfsangaben von 0,9g pro kg Körpergewicht bis hin zu 3g/kg. Getreu dem Motto „the sky is the limit“ findet man sogar Werte von über 4g/kg. In diesem kurzen Blogbeitrag wollen wir das Thema etwas genauer beleuchten, damit du deinen Proteinkonsum individuell für dich anpassen kannst.
In deinem Körper wechseln sich katabole (abbauende) und anabole (aufbauende) Prozesse ab. Einer dieser aufbauenden Prozesse bezeichnet man als Proteinbiosynthese. Am Ende des Tages sollten die aufbauenden Prozesse gegenüber den Abbauenden überwiegen, um erfolgreich Muskeln aufzubauen. Doch wie stimuliere ich die Proteinbiosynthese? Ganz einfach: Durch Krafttraining und Proteinkonsum (v.a. Leucin doch dazu später mehr). Also muss man lediglich auf zwei Faktoren achten!? Eigentlich gar nicht so schwierig, oder?
Jedoch stellt sich die Sache etwas komplexer dar. Aber bleib dran, gemeinsam schlüsseln wir das Ganze verständlich für dich auf.
Wenn die Proteinsynthese durch die Mahlzeit angekurbelt wurde, ist das schon einmal die halbe Miete. Jetzt müssen wir nur dafür sorgen, dass auch genug „Baumaterial“ hinterherkommt. Denn unterm Strich zählt nicht nur wie oft die Synthese angekurbelt wurde, sondern wie viel Protein insgesamt zugeführt wurde (die sog. Stickstoffbilanz). Die Stickstoffbilanz gibt an, wie viel Stickstoff-Atome der Körper nach Aufnahme aus der Nahrung sowie Abgabe über den Harn zur Verfügung hat. Um Muskeln aufbauen zu können, benötigen wir eine positive Stickstoffbilanz. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung gibt einen Wert von 0.9g/kg an, um eine ausgeglichene Stickstoffbilanz zu erzeugen. Wie du jetzt aber sicherlich schon bemerkt hast, reicht uns für den Muskelaufbau keine ausgeglichene Bilanz aus. Ein Unentschieden reicht hier wie im Sport oftmals nicht für den Aufstieg.
Wenn du dich im Kalorienüberschuss ernährst, was ebenfalls unerlässlich für den Gewebsaufbau ist, müssen weniger Proteine aufgenommen werden als im Kaloriendefizit.
Im Überschuss scheint ein Proteinkonsum von 1,6 bis 2,2g/kg Körpergewicht ausreichend zu sein. Im Kaloriendefizit sollte man sich eher an den oberen Werten orientieren, da die Stickstoffbilanz durch die Kalorienrestriktion ohnehin schon leidet. Darüber hinaus scheint ein erhöhter Proteinkonsum in der Diät weitere Vorteile wie bspw. eine höhere Sättigung sowie ein erhöhter „thermic effetct of food“ zu haben.
An welchen Werten du dich im Aufbau orientieren solltest ist individuell von deiner Körperzusammensetzung, deiner Trainingsart, deiner Ernährungsform sowie weiteren Faktoren abhängig.
Gibt es eine optimale Menge Protein pro Mahlzeit? Oder kann der Körper nur eine gewisse Menge auf einmal aufnehmen? Hier scheint es keine oberste Grenze zu geben. Es gibt Hinweise darauf, dass 0,31G/kg Körpergewicht die Proteinbiosynthese aktivieren. Das wären bei einem 90kg Athleten ca. 28g Eiweiß. Doch wie bereits oben angedeutet ist das nur die halbe Wahrheit. Die proteinogene Aminosäure namens „Leucin“ hat hier ein Wörtchen mitzureden. Es scheint eine Schwelle zu existieren, welche überschritten werden muss, um den Aufbau von Muskelgewebe zu stimulieren. Diese Schwelle liegt nach aktueller Datenlage bei ca. 3g. Gute Leucin-Quellen sind bspw. Hafer, Seitan, Soja, Linsen, Bohnen sowie Erdnüsse. Auch Proteinshakes sind erlaubt.
Zum Thema „Meal-Timing“ und „Protein-Feedings“ kann gesagt werden, dass es eher wichtig erscheint, was insgesamt am Ende des Tages konsumiert wurde, als wann. Studien geben Hinweise darauf, dass 3-4 Mahlzeiten am Tag mit 30-40g Protein pro Mahlzeit sinnvoll erscheinen.
Du hast bestimmt auch schon einmal davon gehört, dass pflanzliche Eiweißquellen den tierischen unterlegen ist. Dies wird in der Literatur überwiegend auf die sog. Biologische Wertigkeit gestützt. Diese definiert die Vollständigkeit der proteinogenen Aminosäuren eines Lebensmittels. Isoliert betrachtet haben pflanzliche Lebensmittel tatsächlich überwiegend eine geringere Biologische Wertigkeit als tierische Lebensmittel. Wie gut, dass wir in der Regel keine Monomahlzeiten essen und auch über den Tag verteilt unsere Proteine aus verschiedenen Lebensmitteln konsumieren. Somit kombinieren sich die verschiedenen Aminosäuren aus allen Mahlzeiten und ergänzen sich gegenseitig. Es sollte immer darauf geachtet werden, jeden Tag Hülsenfrüchte, Getreide (und Pseudogetreide) sowie Nüsse (Ölsaaten) zu konsumieren. So kannst du sicherstellen, alle nötigen Aminosäuren bequem über den Tag zu decken.
Am Schluss fasse ich dir wie immer gerne deine take-aways zusammen:
Im Muskelaufbau solltest du dich in einem Kalorienüberschuss ernähren.
Du benötigst eine positive Stickstoffbilanz (mindestens 1,6-2,2g/kg KG).
Die Proteinbiosynthese wird nur durch Krafttraining und eine proteinreiche Mahlzeit (mit min. 3g Leucin und 0,31g/kg KG) aktiviert.
Ernährst du dich pflanzlich oder überwiegend pflanzlich, iss jeden Tag Nüsse, Getreide und Hülsenfrüchte um die biologische Wertigkeit zu erhöhen.
Wie bereits angedeutet, kann man die Ernährung für den Muskelaufbau nicht monokausal erklären. Fakt ist, mit einem zu geringen Proteinkonsum wird der Muskelaufbau nicht funktionieren. Jedoch sollten auch andere Faktoren wie die Kalorienbilanz, der Kohlenhydratkonsum, der Hormonhaushalt (speziell anabole Hormone), der Wasserhaushalt, die Mikronährstoffversorgung sowie die Zubereitung der Lebensmittel und die Darmflora nicht außer Acht gelassen werden.
Willst du mehr Details über das Thema erfahren oder benötigst ein paar Tipps zur praktischen Umsetzung? Wir vom Team-Healthy stehen dir wie immer gerne zur Verfügung.
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Über den Autor
Markus ist geprüfter und zertifizierter Ernährungsberater und unser Experte, wenn es um das Thema vegane Ernährung und Sport geht. Mehr über Markus erfährst du hier.